Mit dem Ende der Sommerferien werden am Donnerstag Zehntausende Kinder in die Schulen strömen – doch etliche Schüler aus Flüchtlingsfamilien sind davon ausgenommen. Ihre Eltern stammen aus Staaten, die als sichere Herkunftsländer gelten. Deren Kinder bekommen keinen normalen Unterricht, sie werden lediglich in den Erstaufnahmeeinrichtungen des Landes betreut. Der niedersächsische Flüchtlingsrat findet das völlig inakzeptabel. „Damit werden die Zukunftschancen dieser Kinder verbaut“, sagt Kai Weber.
Familien droht Abschiebung
Der SPD-Abgeordnete Ulrich Watermann hat vor einiger Zeit das Innenministerium um Auskunft gebeten, wie viele Kinder im schulpflichtigen Alter derzeit ohne regulären Unterricht bleiben. Es sind 65 Jugendliche, davon 60 Kinder aus sogenannten sicheren Herkunftsländern. Die Flüchtlinge sollen nicht lange in Deutschland bleiben, ihnen droht mit hoher Wahrscheinlichkeit die Abschiebung. Hiermit begründet die Landesregierung auch die Ausnahme von der Schulpflicht.
Laut Bundesgesetz sollen Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten bis zur wahrscheinlichen Ablehnung ihrer Asylanträge oder des Vollzugs der Abschiebeandrohung in den Aufnahmeeinrichtungen wohnen. Im Gegensatz zu Flüchtlingen, die auf einen positiven Asylentscheid hoffen können, werden sie nicht auf die Kommunen verteilt.
Familien warten lange auf Asylbescheid
Allerdings kann die Zeit in den Erstaufnahmeeinrichtungen lang werden. 46 der unbeschulten Kinder haben nach einer Auflistung des Innenministeriums bereits sechs bis zwölf Monate in den Einrichtungen verbracht, 13 Kinder zwischen zwölf und 18 Monaten und immerhin sechs Kinder mehr als eineinhalb Jahre. Nur für sechs Monate ausgelegt ist die „Interkulturelle Lernwerkstatt“, die den Lagerkindern nach Auskunft des Kultusministeriums statt des Schulunterrichts angeboten wird. Auch wenn sie nicht zur Schule gingen, werde ihnen immerhin Bildung angeboten, argumentiert das Kultusministerium. Dafür habe man neun Lehrer an die fünf Erstaufnahmeeinrichtungen im Land abgeordnet. Auch Flüchtlingskinder, die mehr als ein Jahr in einem Lager lebten, „würden so adäquat aufgefangen und gefördert“.
Kai Weber vom Flüchtlingsrat reicht das nicht. Rudimentärer Sprachunterricht und kulturelles Lernen seien vielleicht denkbar für einige wenige Monate. „Aber Ersatz für regulären Schulunterricht ist das nicht.“ Auch Belit Onay, Landtagsabgeordneter der Grünen, findet den Zustand schwer erträglich: „Schon 65 Jugendliche ohne Schulunterricht ist eine ziemlich hohe Zahl.“ Ulrich Watermann von der SPD kritisiert die lange Verweildauer in den Erstaufnahmeeinrichtungen.
Von Michael B. Berger