Corona und Tourismus: Stillstand in der Lüneburger Heide

Frühlingsanfang, Feiertag, Sonnenschein und 20 Grad: Für den kleinen Ort Wilsede in der Lüneburger Heide bedeutet das normalerweise ankommende Kutschen im Zehn-Minuten-Takt. „So ruhig war es hier Ostern noch nie“, sagt eine, die es wissen muss: Kathrin Wormanns lebt seit gut 15 Jahren in dem Dorf, das 25 Einwohner zählt, nicht mit dem Auto anzufahren und bei gutem Wetter dank der Pferde-Taxis dennoch brechend voll ist. „Wer Wilsede so erleben will wie jetzt, muss ansonsten abends kommen“, sagt die Frau, die mit ihrem Mann und zwei Kindern mitten in dem touristischen Hotspot der Heide wohnt. Aufgrund der Corona-Einschränkungen muss zurzeit aber jeder, der nach Wilsede will, die Strecke mit eigener Kraft zurücklegen, ob zu Fuß oder mit dem Fahrrad, ob von Undeloh aus oder Döhle, Oberhaverbeck oder Volkwardingen. Das Geklapper der Hufe auf den Kopfsteinpflasterwegen fehlt. Alles ist entschleunigt: Viele genießen gerade genau das. Wie zum Beispiel Ulrich und Petra Röhrs. Sie wohnen in Volkwardingen und sind am Sonntag zu Fuß nach Wilsede gelaufen. „Normalerweise hätten wir heute mit der Verwandtschaft zu Hause gesessen und uns den Magen vollgeschlagen“, sagt Ulrich Röhrs. „Stattdessen haben wir gerade gemerkt, wie wunderschön dieser Weg ist, besonders jetzt, wo alles so entschleunigt ist.“ Statt Buchweizentorte im Café gibt es an diesem Tag eben ein Butterbrot. „Für uns ist die Ruhe eher schön“, sagt Petra Röhrs. „Normalerweise wären hier ja jetzt alle Tische besetzt. Für die Gastwirte ist das natürlich schwierig.“ Sönke Hülse und Muriel Epstein aus Hamburg sind froh, dass Niedersachsen keine Allgemeinverfügung hat wie Schleswig-Holstein, die Ausflüge wie ihren an diesem Ostersonntag verbietet. „Dort dürften wir jetzt nicht Fahrrad fahren“, sagt Sönke Hülse, „an der Landesgrenze an der Elbe steht die Polizei und kontrolliert.“ Auch in Wilsede fuhr die Polizei am Osterwochenende Streife, denn Zusammenkünfte sind natürlich auch in der Heide nicht erlaubt. Viele suchen die Natur: Das Paar ist aus Undeloh mit den Rädern nach Wilsede gefahren, und die Autokennzeichen auf den Parkplätzen in Döhle und Undeloh zeigen: Die beiden sind mit ihrem Wunsch, einen Ausflug in die Natur zu machen, nicht alleine. So sind die Parkplätze an diesem Wochenende voll, die Cafés und Restaurants aber menschenleer. Hinter den Fenstern ist es dunkel, die Mietfahrräder stehen in Reih und Glied im Ständer anstatt das Ausflügler Schlange stehen, um sie auszuleihen. Irgendwie über Wasser halten: Susanne Meyer darf ihren „Heitmanns Hökerladen“ öffnen, weil sie Lebensmittel und Zeitschriften verkauft. „Den Bereich zur Bekleidung muss ich abtrennen“, erzählt die Frau, die das seit 1957 in Undeloh existierende Geschäft vor 16 Jahren übernommen hat. Normalerweise hätte sie an Ostern mit drei Angestellten im Laden gestanden, nun war sie alleine da und hatte noch nicht einmal viel zu tun. „Alle haben Essen und Getränke selbst dabei, sie brauchen nichts.“ Die Situation sei für alle kritisch. „Jeder versucht, sich über Wasser zu halten. Aber es ist schwierig.“ Für die Betriebe sei der geplatzte Saisonstart eine „Katastrophe“, sagt Thomas Cordes, Vorsitzender des Kreisverbandes Landkreis Harburg im Deutschen Hotel- und Gaststättenverband. „Der Saisonbeginn wäre nach dem Winter bitter vonnöten, Ostern ist die erste vernünftige Einnahmequelle. Stattdessen werden Hochzeiten und Konfirmationen abgesagt. Einige Betriebe werden ums Überleben kämpfen und einige auch verschwinden.“ „Kaufen Sie Gutscheine!“: Familie Wischhof vom bekannten Restaurant „Heiderose“ in Undeloh jedenfalls hat einen Zettel an ihre Tür gehängt und blickt auf einen Zeitpunkt in der Zukunft, wann auch immer der sein wird. Ihr Vorschlag an alle, die durch die Scheibe ins leere Café blicken: ein Gutschein für ein Kaffeetrinken mit Buchweizentorte in der Heide als Geschenk für die Eltern oder Großeltern. Liveticker: Die Lage in Hannover und Niedersachsen im Überblick Aktuelle Zahlen zum Coronavirus in der Region Hannover: So viele Infizierte gibt es HAZ-Expertenforum: Das antworten Mediziner auf Leserfragen zum Virus Alle Artikel zum Coronavirus in der Region auf einen Blick So können Sie Geschäften, Gastronomie und Freiberuflern in der Region Hannover jetzt helfen Von Carolin George

Corona und Tourismus - Keine Kutschen, kein Hufgeklapper in der Heide