Corona an Groner Landstraße in Göttingen: Das sagen Stadt und Polizei

Einen Tag nach den Tumulten rund um den unter Quarantäne gestellten Wohnkomplex haben sich Polizei und Stadt Göttingen zu den Vorfällen geäußert. Uwe Lührig, Präsident der Polizeidirektion Göttingen, verurteilte am Sonntagnachmittag während einer gemeinsamen Pressekonferenz die Angriffe auf die Polizisten. Er könne verstehen, dass die Situation für die nach einem Corona-Ausbruch unter Quarantäne gestellten rund 700 Bewohner des Gebäudes an der Groner Landstraße schwierig sei. Man habe aber keinerlei Verständnis für die Angriffe auf die Einsatzkräfte. Am Sonnabendnachmittag hatte es vor dem Gebäude Ausschreitungen gegeben, nachdem sich etwa 80 bis 100 Bewohner an der Absperrung des Gebäudekomplexes versammelt hatten. Mit „massivem Einsatz von Pfefferspray“ hätten die Beamten verhindert, dass die Absperrung durchbrochen wurde. Die Beamten seien unter anderem mit Steinen, Flaschen, Holzlatten und Pyrotechnik beworfen worden, sagte Lührig. Acht Polizisten seien verletzt worden. Man werde mit aller Macht versuchen, die Personalien der Angreifer zu ermitteln. Polizei: Einsatz war „in dieser Form absolut gerechtfertigt“: „Die Ausschreitungen vor dem Hochhaus waren am Rande einer Demonstration mit etwa 200 Teilnehmern gegen ’Mietenwahnsinn’“ ausgebrochen. Der Veranstaltungsort sei kurzfristig vom Wilhelmsplatz in der Göttinger Innennstadt vor das Hochhaus verlegt worden, sagte Einsatzleiter Rainer Nolte. Einzelne Demonstranten hätten die Bewohner aufgestachelt. Die Göttinger Polizei hatte nach Beginn der Ausschreitungen Verstärkung aus mehreren Landkreisen angefordert. Insgesamt waren rund 300 Beamte im Einsatz. Mit Blick auf die an dem Polizeieinsatz geäußerte Kritik sagte Lührig, dass der Einsatz „in dieser Form absolut gerechtfertigt gewesen“ sei. Göttingens OB gibt Vermietern Mitschuld an Situation: Göttingens Oberbürgermeister Rolf-Georg Köhler verteidigte die Quarantäneverfügung für die Bewohner des Gebäudekomplexes. Als festgestellt worden sei, dass 17 Prozent der Bewohner infiziert waren, habe es zur Quarantäne keine Alternative gegeben. Zugleich betonte er, dass die Quarantäne nicht für 14 Tage angewiesen worden sei, sondern für sieben, um die Infektionsketten zu durchbrechen. „Das scheint nach aktuellem Stand gelungen zu sein“, sagte Köhler. Zugleich griff er die Vermieter des Gebäudes an: Die Corona-Pandemie breite sich auch stark in den belasteten Lebensraum aus. „Die Situation in dem Wohnkomplex ist auf die Profitmaximierung der Eigentümer zurückzuführen", sagte Köhler. Wie Petra Broistedt, Leiterin des Krisenstabs der Stadt Göttingen, erklärte, leben in den nur 19 bis 37 Quadratmeter großen Wohnungen teils sechsköpfige Familien in prekären Verhältnissen. Das sei auch ein Grund, warum Infizierte mit Nichtinfizierten in den Wohnungen weiter zusammenblieben. Köhler betonte jedoch, dass die überwiegende Mehrheit der Bewohner sich am Sonnabend im Gebäude aufgehalten und nicht an den Ausschreitungen beteiligt habe. Die Bewohner des Hochhauses werden nach Angaben der Stadt zwei Mal am Tag mit Essen versorgt. „Es sind Ärzte vor Ort, es gibt einen Informationsstand“, erklärte Broistedt. Drogenabhängige erhielten in einem Sanitätszelt eine medizinische Versorgung. „Wir geben auch Alkohol aus“, erklärte die Dezernentin. Kein Drogenabhängiger oder Alkoholiker müsste einen kalten Entzug durchmachen. OB Köhler kündigte für Montagabend erste Lockerungen an, wenn alle Tests ausgewertet seien. „Wer zwei Mal negativ getestet ist, darf die Wohnung unter Auflagen wieder verlassen. Weil nennt Ereignisse „besorgniserregend“: Zu den Vorgängen rund um den Wohnkomplex an der Groner Landstraße in Göttingen hat sich am Sonntag auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) zu Wort gemeldet. Seiner Auffassung nach seien die jüngsten Ereignisse „durchaus besorgniserregend“, berichtet das „Göttinger Tageblatt“. „Natürlich ist es in beengten Wohnverhältnissen schwieriger, das Weiterverbreiten von Corona-Infektionen zu verhindern. Und eine Quarantäne ist bei wenig Platz und vielen Menschen auf engem Raum auch schwerer zu ertragen. Wenn es aber wie in Göttingen zu einem intensiven Ausbruchsgeschehen gekommen ist, müssen die Infektionsschutz-Regeln unbedingt eingehalten und von dem Staat auch konsequent durchgesetzt werden“, sagte Weil. Dagegen gerichtete Handlungen, erst recht in Form von Gewalt gegen Polizeibeamte, seien unverantwortlich und in keiner Weise akzeptabel. Von RND/frs/ton/mib

Corona-Ausbruch - Quarantäne-Gebäude in Göttingen: Polizei verurteilt Angriffe auf Beamte