So leiden Menschen mit AD(H)S unter Corona – und so bekommen sie in der Sassenburg Hilfe

AD(H)S: Die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung macht vielen Kindern und Jugendlichen, aber auch Erwachsenen zu schaffen. Die Betroffenen können sich oft schlecht konzentrieren, sind unruhig, haben Ängste und Depressionen. Angehörige leiden mit – und stehen oft alleine da. Hilfe gibt es beim AD(H)S-Gesprächskreis in der Sassenburg. Und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie auch online. Margit Tütje-Schlicker ist seit rund 19 Jahren ehrenamtlich aktiv ins Sachen Selbsthilfearbeit. „Die Teilnehmer unserer Treffen kamen unter anderem aus den Landkreisen Gifhorn, Helmstedt, Peine, Salzgitter und Celle sowie aus Braunschweig und Wolfsburg. Betroffene und auch Angehörige nahmen weite Strecken auf sich, um sich für zwei Stunden mit Gleichgesinnten auszutauschen und sich aufgehoben zu fühlen und das auch zu sein.“ Kamen – denn wegen Corona können die Treffen nicht mehr stattfinden. Diejenigen, die zum ersten Mal online teilnehmen, zeigen sich überrascht: Für Margit Tütje-Schlicker war es kein Problem, eine Alternative anzubieten. „Jetzt treffen wir uns online, über den Anbieter Zoom. Weil ich schon seit mehr als drei Jahren die einzige Online-Selbsthilfegruppe unseres Verbandes ADHS Deutschland leite mit Teilnehmenden aus ganz Deutschland und europäischen Nachbarländern, war die Umstellung auf diese Form des Austausches für mich kein Problem. Wohl aber für die sonst Teilnehmenden. Das Alternativ-Angebot wurde schleppend angenommen, manche verschließen sich dieser Möglichkeit des Austausches ganz. Diejenigen, die dann zum ersten Mal teilnehmen, zeigen sich überrascht, wie einfach das geht.“ Und freuen sich, mit anderen Betroffenen reden zu können. „Beim Online-Treffen unserer Elterngruppe sagte eine Mutter: Ich finde Online-Treffen gut. Ich habe keine Anfahrt- und Rückfahrzeit, muss nicht im Dunklen über nasse oder glatte Straßen fahren, setze mich aufs Sofa und bin beim Selbsthilfetreffen dabei“, erklärt die Gruppenleiterin. Wie wichtig der Kontakt mit anderen Betroffenen und Angehörigen gerade auch in Corona-Zeiten ist, weiß Margit Tütje-Schlicker sehr gut. „Corona schmeißt alles durcheinander. Insbesondere zu Beginn der Pandemie gab es ein riesengroßes Chaos, Homeschooling war eine Katastrophe, auch weil die Schulen darauf nicht vorbereitet waren, keinen Plan hatten. Die Kinder bekamen verschiedenste Anweisungen, aber viele ADHS-Kinder und auch Erwachsene mit ADHS haben Probleme mit der Selbstorganisation und der Selbstmotivation.“ Die Angst vor dem Ungewissen macht ADHS-Kindern schwer zu schaffen: Beim Homeschoolings müssten sie ihren Tagesablauf organisieren und strukturieren, das fange mit dem Aufstehen an. In der Schule sind die Fächer eingeteilt, es gibt einen Stundenplan – zuhause nicht. Es gibt Aufgaben, aber die Abgabe wird nicht unbedingt eingefordert. „ADHS-Betroffene sind motivationsgesteuert. Wenn nicht die Eltern den Tag strukturieren, werden die Aufgaben erledigt, die Spaß machen. Ungeliebtes anzugehen kostet so viel mehr Kraft. Das und die hinzukommende Angst vor dem Ungewissen macht den ADHS-Kindern schwer zu schaffen.“ Wer Interesse an einem der derzeitigen Online-Treffen (Elterngruppe oder Erwachsenengruppe) hat, kann sich bei Margit Tütje-Schlicker unter Tel. (01 70) 60 75 600 oder per E-Mail an rg.sassenburg@adhs-deutschland.de melden. Von Thorsten Behrens