Isenbütteler Kirchengemeinde diskutiert mit Experten über Höfesterben, Bio-Produkte und Klimawandel

Einander zuhören und miteinander ins Gespräch kommen – das wünscht sich Isenbüttels Kirchengemeinde St. Marien bei ihren Abenden unter dem Motto „offen gesagt“. In Kooperation mit „Der Hof“ widmete sie sich jetzt mit einer fünfköpfigen Expertenrunde und gut 60 Besuchern im Schulforum der Landwirtschaft. Das Thema des Abends lautete: „Schöpfung bewahren“. Pastor Frank Eisel erläuterte eingangs, dass man mit der Gesprächsreihe in die Offensive gehen, Gespräche miteinander in Gang bringen und so einen Gewinn für alle erzielen wolle. Man wolle verdeutlichen, dass die Kirche durchaus wahrnehme, was rundherum in der Gesellschaft los ist. Kritisch sah Eisel, dass die Lebensmittelbranche am liebsten mit besonders niedrigen Preisen wirbt: „Wo bleibt da die Wertschätzung für die Schöpfung?“, fragte er. Für Lebensmittel gäben die Deutschen europaweit am wenigsten aus, sagte Eisel: „Ist es uns so wenig wert, was wir in uns hineinstopfen?“ Herausforderungen der Landwirtschaft: Bernhard Forstner stellte die „Aktuelle Situation und Herausforderungen in der Landwirtschaft“ dar. Es habe sich „viel Frust“ aufgestaut, sagte er. Wegen geringer Wertschätzung, Besserwisserei branchenfremder Städter, wachsender Bürokratie, sinkender Einkommen und unsachlicher Vorwürfe von Tierquälerei bis zu Wasservergiftung. Mehr zum Thema: Bauernprotest in Berlin: Hunderte Landwirte aus Niedersachsen dabei Dazu kämen immer neue Verordnungen – meistens aus Brüssel – etwa zum Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln sowie falsche Darstellungen in den Medien, die wachsende Marktmacht des Einzelhandels und die rasant voranschreitende Digitalisierung. Kurzum: „Die Landwirte fühlen sich erdrückt“, sagte er. Höfesterben ist keine neue Entwicklung: Dennoch ist das Höfesterben kein neues Phänomen. Seit wenigstens 50 oder 60 Jahren sei die Zahl landwirtschaftlicher Betriebe rückläufig in Deutschland, vor allem weil größere Betriebe einfach wirtschaftlicher arbeiten können. Die durchschnittlich bewirtschaftete Fläche ist in 20 Jahren von 48 auf 68 Hektar (42 Prozent) gewachsen, die Zahl der Milchkühe pro Betrieb von 31 auf 67 (116 Prozent) und die Zahl der Schweine sogar von 306 auf 1202 (293 Prozent). Reich werde man mit Landwirtschaft aber nicht, sagte Forstner. Mensa-Chef setzt auf Bio-Produkte: Moderator Rolf Buhmann vertiefte das Thema mit seiner Gesprächsrunde aus Nabu-Kreisverbands-Chef Florian Preusse, Mensa-Betreiber Stefan Gerhardt, Landwirt Ernst Lütje, „Der Hof“-Leiter Roland Bursian und Bernhard Forstner vom Braunschweiger Thünen-Institut. Gerhardt sagte, dass seine Kunden sich in Verzicht üben müssten, da er auf Bioprodukte deutscher Herkunft setzt: „2019 gab es bei uns zum Beispiel nur zwei Wochen Erdbeeren.“ Bemerkenswert sei die Nachfrage nach vegetarischen und veganen Gerichten: Von 1000 Schülern sei nur eine Veganerin, „wir verkaufen aber fünf Prozent vegane Gerichte“. Und der Kichererbenseintopf habe in Kitas die Käsespätzle als Lieblingsessen der Kinder abgelöst. Fleischkonsum als Stellschraube gegen den Klimawandel: Preusse, der selbst Fleisch isst, sah im Fleischkonsum eine „zentrale Stellschraube“ gegen den Klimawandel. Die Fleischproduktion gehe mit enormem Flächenverbrauch einher – mehr für die Futtermittel als für die eigentliche Tierhaltung. Fleisch sei zur Massenware verkommen, sagte er. Forstner plädierte ebenfalls nicht für Komplettverzicht, wohl aber für maßvollen Genuss – auch mit Blick auf mitunter „elende Zustände in der Schweine- und Geflügelmast“. Lütje wies darauf hin, dass man Fleisch eben nicht nur für starke Einkommen erzeuge, sondern auch für Geringverdiener. Abgesehen davon sei Fleischessen nicht für den Klimawandel verantwortlich, denn „auch biovegane Landwirtschaft hat nichts mit Nachhaltigkeit zu tun.“ Wer die Landwirtschaft in Gut (bio) und Böse (konventionell) aufteile, mache es sich viel zu einfach. Lesen Sie auch: Der Hof beliefert IGS-Mensa mit saisonalem Gemüse Kita St. Marien: So wird das Spielschiff wieder flott gemacht Von Ron Niebuhr

St. Mariengemeinde - Kirche und Experten diskutieren über Höfesterben, Bio-Produkte und Klimawandel