Warum zehn weihnachtlich herausgeputzte Trecker hupend durch Gifhorn rollen

Hing dieser Song in anderen Jahren dem ein oder anderen vielleicht Anfang Dezember schon zu den Ohren heraus, war es dieses Jahr ganz anders, so wie fast alles: „Last Christmas“ von Wham dröhnte aus dem ersten Schlepper, als sich die Kolonne aus zehn weihnachtlich geschmückten Treckern am Samstagabend am Mühlenmuseum in Gang setzte, und es war ein Gänsehautmoment. „Wir wollen Hoffnung machen in schwieriger Zeit“, erklärte Landwirt Steffen Meyer und machte Mut zum Durchhalten: „Nicht aufgeben, es wird wieder besser!“ Eine Ankündigung war nicht erlaubt, um Menschenansammlungen zu vermeiden: „Ohne Musik ist es ganz schön still“, stellte Marcus Ritter vom Eventservice Kampu Light fest. Sein Job als Lichttechniker ist gerade genauso wenig gefragt wie der als DJ. Auch Landwirt Marcel Kröger ist als DJ unterwegs. In Corona-Zeiten eine brotlose Kunst. Und deshalb beschlossen sie als Vertreter der beiden Organisationen Land schafft Verbindung und Alarmstufe Rot – ein Corona-Bündnis der Veranstaltungsbranche –, sich an der bundesweiten Aktion der Trecker-Lichterkette zu beteiligen. Ritter sorgte für Weihnachtsmusik und Lichteffekte, die Landwirte für die weihnachtlich herausgeputzten Schlepper. „Leider durften wir das wegen Corona vorher nicht ankündigen, um Menschenansammlungen zu vermeiden“, bedauerte Kröger. Die zehn Landwirte hatten einiges an Zeit in die Vorbereitungen investiert. „So zweieinhalb, drei Stunden“, schätzte Sven Wolpers. Der Neudorf-Platendorfer hatte zwei Lichterketten à jeweils 24 Meter um seinen Schlepper gewickelt, hier und da mit Klebeband dafür gesorgt, dass alles an Ort und Stelle blieb. Ein anderer Traktor hatte sogar die Felgen mit einer Lichterkette geschmückt, es gab rote Schleifen, auf einer Schaufel saß ein Weihnachtsmann, an anderen waren Plakate wie „Wir lieben Lebensmittel – ihr auch?“ oder „Stellt euch vor, wir wären nicht mehr hier“ befestigt, und auf etlichen standen riesige von innen mit wechselnden Farben erleuchtete IBC-Kanister – von Ritter organisiert. Eine Solidaritäts-Aktion aller, die in schweren Zeiten um ihre Existenzen bangen: „Viele haben wegen Corona eine schwere Zeit, viele Existenzen sind bedroht“, wies Meyer darauf hin, dass es nicht nur um den netten Show-Effekt ging bei der Aktion. „Auch Landwirte kämpfen um ihre Existenz, der Preisverfall bei Lebensmitteln macht uns schwer zu schaffen.“ Als Solidaritäts-Aktion betrachteten die Landwirte ihren Lichterketten-Korso durch die Stadt, begleitet von der Polizei, die für freie Fahrt auch an roten Ampeln sorgte. „Das ist mal ein anderer Einsatz, was Besonderes“, stellte Einsatzleiter Sascha Brunken-Bruns fest und drehte vor dem Start schnell noch ein Handy-Video. Erste Station war das Helios-Klinikum. Mit lautem Hupen kündigten sich die Landwirte an. „Hier fahren wir extra lang, um auch den Menschen im Krankenhaus ein bisschen Freude zu bereiten“, erklärte Wolpers. Geplant war, mit ungefähr zwölf Stundenkilometern durch die Stadt zu fahren, vorbei an der Stadthalle, durch Braunschweiger und Limberg-Straße, über den Alten Postweg, den Calberlaher Damm, Konrad-Adenauer-Straße und Lüneburger Straße zurück zum Mühlenmuseum – zwei Stunden hatten Kröger und seine Mitstreiter eingeplant. Positive Reaktionen auf die blinkende und hupende Trecker-Kolonne in der ganzen Stadt: Unterwegs blieben die Autofahrer stehen und staunten, Jugendliche begleiteten die Kolonne auf ihren Fahrrädern, und sobald die Schlepper hupten, ertönte auch von den hinter ihnen her schleichenden Autos ein fröhlich-rhythmisches Hupkonzert. Nach einer Stunde standen die Trecker wieder am Mühlenmuseum. „Dabei haben wir unterwegs schon unsere Geschwindigkeit auf acht Stundenkilometer gedrosselt“, so Kröger. Eine spontane Sonntags-Runde durch die Samtgemeinde Meinersen: Am Sonntagabend wiederholten die Landwirte spontan ihre Aktion und drehten eine große Runde durch beinahe die komplette Samtgemeinde Meinersen, „diesmal aber nur mit sieben Schleppern“, so Kröger. „Den Wittingern war der Weg verständlicherweise zu weit.“ Bevor es los ging, gab er noch Anweisungen, wo wegen der Tiere oder vieler kleiner Kinder nicht gehupt werden durfte. Und dann zockelte die Kolonne – innerorts etwas langsamer, außerorts so zügig „wie es die Lichterketten hergeben“ – von Ettenbüttel aus über Leiferde, Hillerse, Dalldorf, Meinersen, Ahnsen, Flettmar, Müden und Gerstenbüttel zurück zum Startpunkt. „Dafür haben wir ungefähr zweieinhalb Stunden eingeplant.“ Von Christina Rudert