Auch die Bauern aus dem Landkreis sind es leid, als Prügelknaben der Nation und Buhmann der Politik herhalten zu müssen. Sie waren am Dienstag bei einer bundesweiten Protestkundgebung dabei und starteten mit rund 200 Traktoren vom Parkplatz des Mühlenmuseums in Richtung Hannover.
Start am Mühlenmuseum
Bereits um 6.30 Uhr hatten sich die Landwirte auf dem Parkplatz an der Bromer Straße gesammelt, eine Stunde später fiel der Startschuss zur Sternfahrt in die Landeshauptstadt. Gifhorns Polizei hatte die Begleitung des langen Trecker-Trecks übernommen. Motorräder und Streifenwagen sicherten Kreuzungen und Einmündungen. Über die B 188 ging es in Richtung Hannover. Im Berufsverkehr kam es zu erheblichen Behinderungen.
„Die Beteiligung an der Aktion ist gut“, freute sich Sprecher Florian Dralle aus Wentorf darüber, dass viele Landwirte den Protest-Aufruf unterstützt haben. „Auch der Nordkreis war mit dabei“, verweist Dralle auf einen weiteren Trecker-Treck, der am Dienstagmorgen mit rund 60 Traktoren in Hankensbüttel gestartet sei. „Der Protest wurde von der Basis und ohne Verbandsunterstützung auf die Beine gestellt“, lobt Dralle das Engagement aller Beteiligten.
Zu Tisch gerufen
„Land schafft Verbindungen – wir rufen zu Tisch“ war das Motto des bundesweit organisierten Protestes gegen die derzeitige Umwelt- und Landwirtschaftspolitik, die nach Ansicht der Landwirte den sozialen Frieden im ländlichen Raum gefährdet. „Insbesondere viele junge Kolleginnen und Kollegen haben investiert und sehen jetzt ihre Felle davon schwimmen“, schildert auch Joachim Zeidler, 1. Vorsitzender des Kreis-Landvolkverbandes, die Stimmung in der Branche.
Deutliches Zeichen
Mit dem Trecker-Treck – Zielpunkt Maschsee – setzten auch die Landwirte aus dem Kreisgebiet ein deutliches Zeichen. „Wir sind es leid, als Umweltverschmutzer und Tierquäler dargestellt werden“, bringt es Zeidler auf den Punkt. „Unter der permanent negativen Stimmungsmache leiden auch unsere Familien“, so der Kreislandwirt.
Existenz gefährdet
Die Verschärfung der Düngeverordnung und das Agrarpaket gefährdeten auch im Landkreis Gifhorn die Betriebe. „Für viele Landwirte geht’s um die Existenz“, weiß Dralle. Miteinander statt übereinander reden: Der Pressesprecher von „Land schafft Verbindungen“ ruft zu einem Umdenken auf. Wenn Landwirte weiter an den Pranger gestellt würden – weder fach- noch sachgerecht – verliere der Beruf seine Attraktivität.
„Wir wollen, dass die Politik wieder mit uns redet, wir wollen gehört und gefragt werden“, fordert Dralle Verhandlungsgespräche zwischen Landwirten und den zuständigen Ministerinnen Julia Klöckner und Svenja Schulze. Dieses sei beim Agrarpaket unterblieben.
Es müsse rasch gehandelt werden, denn auch das so genannte Mercosur-Handelsabkommen gefährde durch Billigpreise importierte Waren die Versorgung mit sicheren, hochwertigen und geprüften Lebensmitteln aus der Region.
Alle wichtigen Ereignisse lesen Sie hier im Liveticker
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Der Tag der Trecker-Demo knapp zusammen gefasst:
Bereits in den frühen Morgenstunden hatten sich Landwirte auf den Weg gemacht, um gemeinsam in Hannover gegen das Agrarpaket und das schlechte Image ihres Berufs zu protestieren. Die längste Anreise hatten Teilnehmer aus Braunschnweig, Salzgitter, Hameln, Hildesheim und Nienburg. Sie trafen sich am frühen Vormittag mit Kollegen aus der Region Hannover um auf mehreren Routen in einer Sternfahrt zum Maschsee zu gelangen. 2000 Trecker kurvten am Ende über Hannovers Straßen - das Doppelte der ursprünglich 1000 erwarteten Traktoren.
Bei der Fahrt in die City kam der restliche Autoverkehr entlang der Routen der Trecker-Konvois teils vorübergehend zum Stillstand - Pendler und Berufsverkehr mussten sich in Geduld üben. Ebenso war es, als die zentrale Kundgebung am Nordufer des Maschsees gegen 13:20 zu Ende ging und die Landwirte sich auf die Heimfahrt machten.
Bei der Kundgebung sprachen auch Landesagrarministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) und Umweltminister Olaf Lies (SPD). Sie bekamen auch etwas Lob und Applaus, vor allem aber Kritik und Pfiffe zu hören.
Die Ereignisse können Sie hier im Detail in unserem Live-Ticker nachlesen, den wir damit beenden. -
Verkehrs-Update: Das Rudolf-von-Bennigsen-Ufer ist inzwischen wieder für den Verkehr freigegeben. Alle Trecker sind vom Bereich der zentralen Kundgebung am Nordufer des Maschsees abgefahren.
Aufgelöst ist inzwischen der Stau auf der B6 zwischen Herrenhäuser Straße und Berenbostel.
Auf dem Südschnellweg zwischen Hildesheimer Straße und Seelhorster Kreuz ist die Gefahrenstelle geräumt, der Stau hat sich aufgelöst.
Derweil meldet die Üstra: Alle Buslinien fahren wieder weitgehend nach Plan und auf den vorgesehenen Linien. -
Das Arthur-Menge-Ufer ist nach der zentralen Kundgebung jetzt wieder für den normalen Autoverkehr freigegeben worden. Laut Polizei werden immer mehr Straßen für den normalen Verkehr freigegeben, allerdings dauern die Beeinträchtigungen weiter an.
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Kurzer Überblick zum aktuellen Abreiseverkehr: Während die ersten Trecker bereits wieder aus der Stadt sind, warten die letzten noch auf die Gelegenheit, den Heimweg anzutreten. Die Polizei rechnet damit, dass die abreisenden Protestteilnehmer noch bis etwa 17 Uhr für ein erhöhtes Verkehrsaufkommen sorgen - das dann nahtlos in die Feierabend-Rushhour übergehen könnte.
Zurzeit ist es hier eng:
B6: 6 km Stau in Richtung Nordwesten zwischen der Herrenhäuser Straße und Berenbostel
B3/B6 (Südschnellweg): Zusätzliche Gefahr und Verzögerungen zwischen Hildesheimer Straße und Seelhorster Kreuz durch ein liegen gebliebenes Fahrzeug
B3/B6 (Messeschnellweg): 5 km stockender Verkehr zwischen Pferdeturm und Laatzen
Hildesheimer Straße: 5 km Stau vom Aegi bis zur Kreuzung Wilkenburger Straße
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Auf der Hildesheimer Straße hat sich in Richtung Norden ein fünf Kilometer langer Stau gebildet. Laut Verkehrsmanagementzentrale reicht er von der Kreuzung Wilkenburger Straße in Wülfel bis zum Aegidientorplatz.
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Jürgen Purwins und Henning Hoops müssen am Friederikenplatz noch eine halbe Stunde warten bis es mit den Treckern wieder in Richtung Heidekreis geht. Sie sind zufrieden mit dem Protest. Er habe während der Veranstaltung mit vielen Bürgern reden können und sie hätten viel Verständnis gezeigt, erzählt Purwins.Er hofft, dass die Verbraucher in Zukunft mehr regionale Produkte kaufen. Währenddessen machen sich die Landwirte am Leibnizufer zur Abfahrt bereit machen
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Die ziemlich "knackige" Aussage von Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast am Maschsee über ihre CDU-Parteikollegin und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner sowie Umweltministerin Svenja Schulze (SPD):
Otte-Kinast hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (beide CDU) dazu aufgefordert, den Konflikt um die Agrarpolitik zur Chefsache zu machen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) seien mit der Bewältigung der Problematik überfordert. „Die beiden Ministerinnen kriegen das nicht hin mit den Zielkonflikten. Ich wünsche mir, dass die Kanzlerin sich das zur Chefsache macht, die Landwirtschaft gehört ins Kanzleramt.“
Von Uwe Stadtlich