Homeschooling wegen Corona: Das sagen Eltern und Lehrer in Gifhorn

Ab Montag dürfen Schülerinnen und Schüler auch im Kreis Gifhorn zuhause am Unterricht teilnehmen, so sie und ihre Eltern das wollen. Dass die Schulen deshalb in der letzten Woche vor den Ferien leer stehen werden, damit ist allerdings nicht zu rechnen. Im Hause Gieße tendiert man wohl zum Homeschooling, auch wenn es nur zweite Wahl ist. „Generell ist Homeschooling ein Alptraum“, sagt Katharina Gieße aus Kästorf, Mutter zweier Söhne, die aufs Humboldt-Gymnasium beziehungsweise in die Isetalschule gehen. „Was wir im ersten Lockdown hatten, brauch’ ich nicht nochmal.“ Während sie für Otto (10) die Arbeitsblätter und -hefte von der Grundschule abgeholt hatte, wurde Karl (13) je nach Lehrer per E-Mails oder Skype bedient. „Chaotisch.“ Weil sie und ihr Mann „Arbeitgeber haben, die viel möglich machen“, sei die kommende Woche Homeschooling „keine Katastrophe“. Doch wie soll das zum Beispiel die allein erziehende Fleischereifachverkäuferin machen, die nicht ins Homeoffice wechseln kann? Sie könne Eltern verstehen, die den Präsenzunterricht haben wollen, sagt Gieße. „Die, die es sich leisten können, sollten ihre Kinder zuhause lassen.“ Kinder ebenfalls für Unterricht in der Schule: Falk Tietze vom Schulelternrat der Gebrüder-Grimm-Schule hat ebenfalls Kinder in Grundschule und Gymnasium – und setzt weiter auf Präsenzunterricht. „Auch wenn wir im Homeoffice sind, haben wir nicht die Zeit.“ Seine Kinder hätten ebenso klare Vorlieben: „Die freuen sich selber, in die Schule zu gehen.“ Nicht nur wegen der sozialen Kontakte sei das wichtig: „Den Kindern kann der Lernstoff dort viel besser vermittelt werden.“ Die Schutzmaßnahmen seien sehr gut. „Ich sehe eine Ansteckungsgefahr dort als sehr gering an.“ Gleichwohl könne er Eltern verstehen, die Homeschooling wählen. „Ich habe aber Mitleid mit den Kindern, weil die etwas verpassen.“ Wegen Klausuren so oder so in die Schule: „Homeschooling hätten wir gern gemacht“, sagt der Vater eines Kindes aus dem zwölften Jahrgang am Otto-Hahn-Gymnasium. Doch in der Woche gebe es drei Klausuren: Montag, Mittwoch und Freitag. Zumindest dafür müsste das Kind in die Schule, wenn es auch den Rest der Woche zuhause unterrichtet werden könnte. „Muss das jetzt noch sein?“, fragt sich der Vater. Zwar wäre die Präsenz vor Ort auf die Klausur beschränkt, dennoch seien es zusätzliche Kontakte. OHG-Leiterin Susanne Pilarski verweist auf die Abstände, die bei den Klausuren in größeren Räumen eingehalten werden. Die kurzfristige Verdichtung der Klausurtermine sei den Corona-Regelungen geschuldet. Auch die neue Regelung zum Präsenzunterricht sei „sehr kurzfristig“ gekommen. „Wir sind im Hybridmodus.“ Die Hälfte der Schülerinnen und Schüler aus der Realschule Calberlah ist bereits seit zwei Wochen daheim. Wie viele es in der kommenden Woche sein werden, vermag Rektor Thomas Seliger noch nicht einzuschätzen. Auch Stephan Lindhorst, Vorstandsmitglied im Schulleitungsverband und Leiter der Oberschule Papenteich, ist mit Prognosen vorsichtig. Am Freitag schätzte er die Homeschooling-Quote auf 25 Prozent angesichts der eingegangenen Anmeldungen. „Aber das ist nur eine Momentaufnahme.“ Dörte Gollin von der Gebrüder-Grimm-Schule rechnet damit, dass die Hälfte ihrer Schützlinge weiterhin zur Schule kommen wird. Während des Telefonats mit der AZ kommen immer wieder Kolleginnen in ihr Büro und bringen Anträge auf Befreiung vom Präsenzunterricht. „Hier ist der nächste Stapel.“ Auch Susanne Pilarski, Leiterin des Otto-Hahn-Gymnasiums, hält sich mit Prognosen zurück. „Ich rechne damit, dass wir am Montag eine Flut von Abmeldungen bekommen werden.“ Schulleitungen und Lehrkräfte arbeiten am Limit: Für die Schulleitungen und die Kollegien sind die fast täglich neuen Regelungen Arbeit on top. „Neben der Krise und den schnellen neuen Regelungen müssen wir das normale Geschäft auch noch managen“, sagt Stephan Lindhorst vom Schulleitungsverband und Leiter der Oberschule Papenteich. „Schule ist so nicht mehr planbar.“ Planungen unter anderem für Klassenarbeiten müssten über den Haufen geworfen werden. „Die Lehrkräfte haben doppelte Arbeit“, sagt Dörte Gollin, Rektorin der Gebrüder-Grimm-Schule in Gifhorn. „Sie arbeiten weit über Maß.“ Gleichwohl ist sie eine Befürworterin der Regelung, dass Eltern ihre Kinder vom Präsenzunterricht befreien lassen können. „Ich halte es schon für gut, dass die Kontakte reduziert werden.“ Von Dirk Reitmeister