Gifhorn: Schuldenfalle wird wegen Corona häufiger zuschnappen

„Viele Menschen im Landkreis Gifhorn – darunter auch Selbstständige – werden 2021 auf die Bretter gehen und anschließend bei uns landen“, findet Karin Schofer von der Schuldnerberatung der Arbeiterwohlfahrt (Awo) deutliche Worte. Bereits in den letzten Jahren habe sich abgezeichnet, dass immer mehr Geringverdiener in die Schuldenfalle tappten. Das trifft auch immer mehr ältere Menschen – und Corona werde diesen Trend weiter beschleunigen, prognostiziert die Schuldnerberatung. Mehr ältere Menschen unter den Schuldnern: „Natürlich wirkt sich inzwischen auch die demografische Entwicklung deutlich aus“, verweist die Expertin darauf, dass es inzwischen immer mehr Rentnerinnen und Rentner gebe, die keine „durchgängige Arbeitsbiografie“ hätten. Mini-Jobs und Leiharbeit seien Hauptgrund für diesen traurigen Trend. Corona und die damit verbundenen Folgen würden die Zahlen 2021 weiter nach oben schnellen lassen. „Wir erwarten für das neue Jahr einen unglaublichen Anstieg “, prognostiziert die Fachfrau. „Die Corona-Pandemie bewirkt eine zunehmende Polarisierung bei Einkommen und Vermögen. Während Gutverdiener Einkommensausfälle kompensieren können, haben untere Einkommensschichten nur geringe finanzielle Ressourcen“, verweist Schofer darauf, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter öffne. Schofer: „Die Ver- und Überschuldung von Verbrauchern mit niedrigem Einkommen wird ansteigen.“ Nach wie vor seien die größten Schuldenmacher Menschen im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. „Sie machen 52 Prozent unserer Ratsuchenden aus“, erläutert die Beraterin. In dieser Lebensphase müssten sich viele Menschen mit Einstiegsgehältern und Befristungen herumschlagen – gleichzeitig fände in diesem Abschnitt die kostenintensive Familiengründung statt. Ein Anstieg um 325 Prozent: Mit Sorge blickt Karin Schofer auf die Seniorinnen und Senioren, die auf Hilfe und Beratung angewiesen sind. „Im Vergleich zu 2019 sind über 60-Jährige sowohl in unserer Beratungsstelle als auch auf Bundesebene stärker vertreten. Ältere Menschen sind immer häufiger von Überschuldung betroffen“, so Schofer. Besonders dramatisch sei die Entwicklung bei den über 70-Jährigen. „Hier wurde zwischen 2013 und 2020 ein sprunghafter Anstieg der Zahlen um 325 Prozent registriert“, sagt die Awo-Mitarbeiterin. Unter dem Aspekt wachsender Altersarmut sei künftig mit einer weiteren Zunahme von älteren Ratsuchenden zu rechnen. Die Umstände, die zur Überschuldung führten, seien nicht zu verwechseln mit den Ursachen der Verschuldung – beispielsweise Kreditaufnahme zum Kauf von Möbeln oder einer Waschmaschine. „Auslöser der Überschuldung sind in vielen Fällen kritische Lebensereignisse wie Arbeitslosigkeit, Erkrankung oder Trennung, die zu einem verringerten Haushaltseinkommen führen“, berichtet Karin Schofer. Mangel an wirtschaftlicher Kompetenz: In 32 Prozent der Fälle wertete Gifhorns Awo übrigens mangelnde wirtschaftliche Kompetenz als Überschuldungsursache. Erkrankungen (somatischer und psychischer Art sowie Süchte) stünden in der Gifhorner Beratungsstelle mit 21,2 Prozent an zweiter Position, gefolgt von Trennungssituationen (12,8 Prozent) und Arbeitslosigkeit (11,2 Prozent). „Arbeitslosigkeit hat in den Vorjahren als Überschuldungsgrund zwar abgenommen, in den kommenden Jahren wird sich die Lage der Verbraucher aber zeitlich verzögert deutlich verschlechtern“, geht Schofer auf die Pandemie-Auswirkungen ein. Die bereits gestiegene und voraussichtlich weiter ansteigende Zahl an Arbeitslosen sowie die prekäre Situation von Freiberuflern und Selbstständigen würden hier ihre Auswirkungen finden, steht für die Awo-Expertin fest. Von Uwe Stadlich