Gifhorn: Enkeltrick-Abzocke nimmt weiter zu

Die Täter sind bestens geschult, die Vorgehensweise ist professionell: Die Straftaten zum Nachteil älterer Menschen im Landkreis sind im vergangenen Jahr rapide in die Höhe geschnellt. Als mutmaßliche Enkel oder falsche Polizisten zockten Ganoven Seniorinnen und Senioren ab. Die Beute geht in die Hunderttausende von Euro. „Diese Taten stehen zusehends im Blickfeld der Öffentlichkeit – und trotz Warnungen gelingt es den Tätern immer wieder, ihr Ziel zu erreichen“, sagt Martin Hesse, Chef der Analysestelle der Gifhorner Kriminalpolizei. Allein 2020 seien in der Summe 207 solcher Fälle registriert worden – ein Anstieg um 74 Fälle, verweist Hesse auf die Zunahme dieser dreisten Abzock-Masche. „Vielschichtiges Phänomen“: „Es handelt sich um ein vielschichtiges Phänomen“, verweist Hesse darauf, dass das Vorgehen häufig wechsele. Bei ihrer Kontaktaufnahme hätten sich die Ganoven 2020 in 88 Fällen als falsche Polizistinnen und Polizisten ausgegeben. In 119 Fällen täuschten sie den Opfern vor, Angehörige der Familie zu sein – der sogenannte Enkeltrick. „Die Begehungsweisen der Taten werden immer wieder leicht abgewandelt, in allen Fällen wird eine Hilfsbedürftigkeit oder Notsituation vorgetäuscht, um an das Geld der Opfer zu kommen“, weiß Hesse. „Das gelang 2020 insgesamt acht Mal“, verweist er auf die aktuelle Kriminalstatistik, die er gemeinsam mit Inspektionsleiter Thomas Bodendiek und Kripo-Chef Uwe Ramme präsentierte. Bei diesen acht vollendeten Taten seien die betagten Opfer um eine Gesamtsumme von 334 000 Euro gebracht worden. Kontaktaufnahme aus dem Ausland: „Es ist für unsere Ermittlerinnen und Ermittler schwer, den Tätern auf die Spur zu kommen“, sagt Erster Kriminalhauptkommissar Uwe Ramme. Fast immer würde aus Telefon-Callcentern aus dem Ausland gearbeitet. „Der einmal angebahnte Kontakt zu den Opfern wird dabei ständig gehalten – bis zur Abholung des Geldes durch einen Boten“, beschreibt der Kripo-Leiter die Vorgehensweise der Enkeltrick-Betrüger. Aufgeklärt habe die Polizei 2020 drei Fälle (zwei Versuche und eine vollendete Tat). Prävention zahlt sich aus: Die Präventionsarbeit, die Gifhorns Ordnungshüter seit Jahren in vielen Bereichen leisteten, um diese Taten zu verhindern, zahle sich inzwischen aus, so Ramme. „Viele der Fälle blieben darum im Versuchsstadium stecken“, erklärt der Kripo-Chef. Bei der Abhebung hoher Bargeldsummen durch Seniorinnen und Senioren würden auch Bank-Beschäftigte genauer hinsehen. Trotzdem sind sich Ramme und Hesse sicher, dass die tatsächliche Zahl der Enkeltrick-Gaunereien im Landkreis Gifhorn wesentlich höher sein dürfte. „Wir haben es mit einem großen Dunkelfeld zu tun, denn viele der Straftaten und Versuche werden von den betroffenen älteren Menschen aus Scham nicht angezeigt“, ist Martin Hesse überzeugt. Von Uwe Stadtlich