Gifhorn: Altonaer Theater gibt das Stück „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“ in der Stadthalle

In den Genuss eines ungewöhnlichen Theaterstückes kamen die Besucher der Stadthalle am Freitagabend. Das Altonaer Theater präsentierte „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war?“, nach dem gleichnamigen autobiografischen Roman aus dem Jahre 2013, geschrieben von Joachim Meyerhoff. Eltern und Brüder: Joachim, genannt Josse, wuchs auf als jüngster Sohn des Direktors einer Jugendpsychiatrie in Schleswig. Die Direktorenvilla, die er mit den Eltern und den beiden älteren Brüdern bewohnte, befand sich auf dem Klinikgelände, so dass Josse praktisch seine gesamte Kindheit dort verbrachte. Fließend in die Rollen: In dem Theaterstück sind Auszüge des Romans sehr nahe an der Vorlage umgesetzt. Der Erzähler, gespielt von Moritz Brendel, ist der erwachsene Joachim und rezitiert Buchpassagen in der Ich-Form. Insgesamt sieben Schauspieler schlüpfen wahlweise und fließend in die Rollen der fünf Familienmitglieder sowie der kranken Jugendlichen. „Erfinden heißt Erinnern“: Josses Erlebnisse in seiner Kindheit muten humorvoll an, hinterlassen aber ein bedrückendes Gefühl beim Zuschauer. Mit zehn Jahren soll Josse erstmals allein zur Schule laufen. In den angrenzenden Schrebergärten findet er die Leiche eines alten Mannes. In der Schule berichtet er von seinem Fund. Um anzugeben, erfindet er Details, die sich im Nachhinein als wahr erweisen: „Der Augenblick dieser Realisation prägte mich für immer, denn Erfinden heißt Erinnern.“ Nicht seefest: Beschrieben wurde auch die Segelleidenschaft des Vaters, der sich einen Liegeplatz fürs Boot mietete, bevor er ein Boot besaß, das Boot kaufte, bevor er den Segelschein besaß. Bei seiner Segelprüfung stellt sich heraus, dass er auch bei leichtem Seegang nicht seefest war, weswegen er seine Leidenschaft, die seine ganze Familie mittragen musste, wieder aufgab. Torte und Cola: Geburtstage des Vaters und Weihnachtsfeste werden ausschließlich mit den Insassen der Klinik gefeiert. An Weihnachten begleitet Josse seinen Vater traditionell durch alle neun Stationen der Klinik, feiert überall eine 20-minütige Bescherung für die Insassen. Bei diesen Rundgängen isst er in jedem Jahr neun Stück Torte und trinkt neun Gläser Cola, so dass er das restliche Weihnachten immer mit Bauchschmerzen erlebt. Kritik am Vater: Immer wieder scheint bei Joachims Beschreibungen seiner Kindheit eine leichte Kritik an seinem Vater durch. Sein Vater, der zwar hoch qualifizierter Jugendpsychologe ist, für den er als kleiner Junge aber lügen musste, sein Vater, der Josses älterem Bruder Geld gab fürs Nicht-Weinen, sein Vater, der schließlich von seiner Frau verlassen wurde, weil er die Familie von der Außenwelt isolierte. Eindringlich und sensibel: Sehr eindringlich und sensibel zeigten die Schauspieler einen Einblick in Josses ungewöhnliche Kindheit. Herausragend Johan Richter als zehnjähriger Josse. Philipp Spreen und Birger Frehse, die beiden älteren Brüder, zeigten insbesondere in ihren Nebenrollen als geistig behinderte Jugendliche große schauspielerische Leistung. Ein aufwändiges Bühnenbild, bestehend aus einem zweistöckigen Haus mit Glastüren rundete das verstörende Bühnenstück ab. Lesen Sie auch Heidi Mahler mit jubelndem Applaus empfangen Workshop: Berliner Musiktheater in den 1920-er-Jahren Schneewittchen in der Gifhorner Stadthalle Von Maren Kiesbye

Stadthalle - Eine Kindheit in der Jugendpsychiatrie