Die Früchte harter Arbeit in Gifhorn: Unterwegs mit dem Marktbeschicker

Lutz Heuer ist gerne möglichst immer der Erste. Und das trotz der in seiner Branche üblichen 17 Stunden-Tage, geringer Freizeit und seltener Urlaubstage: Der 52-jährige Wehnser ist mit Leib und Seele Marktbeschicker – seit 32 Jahren, denn die „Riesenfreude“ an seiner Arbeit hat ihn bisher nie verlassen. Vielen Menschen bekannt ist er durch seinen Stand auf dem Wochenmarkt in Peine, wo er unter anderem als Direktvermarkter die Produkte der Erzeugergemeinschaft „Hoorns Hof“ vertreibt. Angereichert wird das Sortiment durch Ware vom Großmarkt – auch die besorgt Heuer höchstpersönlich. Die Autobahn nach Hannover gehört ihm um kurz nach 2 Uhr früh praktisch allein, als er mit seinem Lieferwagen auf dem Weg zum Großmarkt nach Hannover ist. Heute, am Freitag, ist er ein bisschen spät dran: Bevor er sich mit seinem alten Diesel auf den Weg in die Landeshauptstadt gemacht hat, hat er noch schnell eine Gastwirtschaft in der Peiner Fußgängerzone mit einem Sack Kartoffeln der Sorte Belana beliefert. Um drei Uhr morgens öffnet der Großmarkt: Heuer liebt die nächtlich stillen Straßen auf dem Weg zum Großmarkt, Müdigkeit ist ihm nicht anzumerken. Um fünf vor drei ordnet er sich mit seinem Wagen in die Schlange der Fahrzeuge ein, in denen seine Kollegen bereits auf Einlass warten. Wozu dieser frühe Andrang? „Um diese Zeit ist die Warenauswahl besonders groß“, erklärt Heuer, während vor ihm in die Warteschlange Bewegung kommt. Um drei Uhr schwenkt die Schranke nach oben, los geht’s. Zielstrebig steuert Heuer seinen weißen Lieferwagen durch die riesige Halle. Er fährt vorbei an unzähligen Obst- und Gemüse-Großhändlern und findet – „gut, wenn man so früh da ist“ – mühelos einen Parkplatz gegenüber den Niederlassungen „seiner“ Lieferanten, mit denen ihn ein langes Vertrauensverhältnis verbindet. Betrieb wie in einem Einkaufszentrum zur besten Geschäftszeit: Trotz der frühen Stunde geht es zu wie in einem Einkaufszentrum zur besten Geschäftszeit. Konzentriert ihre Einkaufszettel abarbeitende Kundschaft in praktischer Arbeitskleidung bewegt sich sicher zwischen umherflitzenden Gabelstaplern, die zwischen aufgetürmten Gemüsekisten unfallfrei ihren Weg finden. Heuer öffnet die Ladefläche seines Lieferwagens, damit der Staplerfahrer die Ware direkt aufladen kann. Dann macht er sich auf den Weg zu seinem ersten Lieferanten. „Hallo Lutz, was darf es denn heute sein?“, schallt es von allen Seiten – und das, obwohl „Lutz“ nur einer von vielen im Kundenpulk ist. Man kennt sich eben. Derweil wandert Heuers prüfender Blick zwischen seinem handgeschriebenen Einkaufszettel und dem Warenangebot hin und her. Vertrauen gehört dazu: Gute Qualität ist für den Wehnser unverzichtbar. Was er bereits vorbestellt hat, steht schon zur Abholung für ihn bereit. Den Spitzkohl aus Portugal, die Tomaten aus Spanien und die qualitativ hochwertigen Bananen mit dem blauen Aufkleber kauft er noch bei anderen Anbietern dazu. Ein kurzer Blick hier, ein Kontrollgriff da, eine kleine Obstkostprobe und noch kauend ein Kopfnicken zum Verkäufer – der Einkauf hier ist ganz offensichtlich Vertrauenssache. Die Einkaufsentscheidung ist jedoch auch eine Kalkulation mit schwer abzuschätzenden Unbekannten. „Das Wetter spielt eine Rolle: Wenn es regnet, kommen morgen Früh weniger Kunden auf den Markt“, erklärt Heuer. Aber auch bevorstehende Feiertage, Urlaubszeiten und Ferien seien zu berücksichtigen, und auch die mögliche Abwesenheit der Händlerkollegen: „Dann nehme ich auch mal ins Angebot, was ich sonst eher nicht anbiete.“ Man muss kaufmännische Wagnisse eingehen: Diesmal sind reif gepflückte und auf dem Luftweg importierte Mango-Früchte dabei. Das ist ein kaufmännisches Wagnis, denn sie sind doppelt so teuer wie die auf dem üblichen Transportweg auf dem Schiff gereifte Ware. „Aber geschmacklich sind sie auch doppelt so gut“, sagt Heuer. Ware in Plastikverpackungen hingegen hat bei ihm keine Chance. Trotz der konzentrierten Geschäftigkeit bleibt immer wieder Zeit für Plaudereien, und fast überall lockt zu früher Stunde „Kundendienst-Kaffee“. Am Ende ist Heuers Lieferwagen mit eineinhalb Tonnen Ware beladen. Kurz vor vier Uhr geht es über die noch immer spärlich befahrene Autobahn wieder Richtung Wehnsen. Heuer ist gedanklich bereits beim Ausladen, das per Hand und mit Muskelkraft erfolgt. Um halb sieben will er alles im Lagerraum verstaut haben, denn dann wartet seine Frau mit dem Frühstück auf ihn. Kein Umweg über Zwischenhandel: Am Abend wird er seinen Lieferwagen von Hand beladen und den mobilen Verkaufsstand anhängen, um am Samstag bereits vor sechs Uhr seinen Stand auf dem Peiner Wochenmarkt aufzubauen. Wieder ein Tag mit frühem Arbeitsbeginn, wieder ist Heuer lange vor dem Morgengrauen unterwegs. Als „Direktvermarkter“ hat er auch im Angebot, was er und seine Kollegen, die sich 1988 zur Direktvermarktungsgesellschaft „Hoorns Hof“ zusammengeschlossen haben, produzieren. „So vermeiden wir den Umweg über den Zwischenhandel und sind viel schneller mit frischen Produkten beim Kunden“, erklärt er. Lutz Heuer ist Geschäftsführer der Erzeugergemeinschaft Hoorns Hof aus Wehnsen, die sich 1988 gegründet hat. Seit 32 Jahren wird im Hofladen und auf Wochenmärkten den Kunden direkt angeboten, was er und sechs weitere Wehnser Landwirte im Peiner Nordkreis produzieren. „Es hat sich aber gleich zu Beginn sehr schnell ergeben, dass wir mit ausschließlich regionalen Lebensmitteln die Kundenansprüche nicht erfüllen“, sagt Heuer. Zugekauft wird auf dem Großmarkt in Hannover. Auch er vertritt die Forderung, dass die Erzeugnisse der Landwirte besser bezahlt werden müssten und nicht immer nur noch mehr kostentreibende Vorschriften erlassen werden dürften. Aus Zeitgründen hatte er keine Gelegenheit, an den jüngsten Bauernprotesten aktiv teilzunehmen, hat aber größtes Verständnis dafür. „Ich mache ja mehr Markt als Landwirtschaft, aber Kollegen aus Wehnsen haben sich am Protest beteiligt. Es muss unbedingt eine tragfähige Lösung her“, sagt er, während er Wehnser Kartoffeln in die Auslage seines Marktstandes schüttet. Seit 23 Jahren unterstützt ihn an Markttagen Mitarbeiterin Ina Heuer. „Wir sind nicht verwandt und nicht verschwägert“, erklären beide lachend. Neuerdings packt auch noch Berend Weisgerber mit an. In kurzer Zeit wird aus dem unscheinbaren Anhänger ein großzügiger und effektiv beleuchteter Verkaufsstand mit üppigem Warenangebot. Der Aufbauvorgang erinnert ein wenig an die Routine einer Feuerwehrübung bei gutem Betriebsklima. Ein Knochenjob mit wenig Freizeit: „Außer unseren festen Kaffeestunden und ruhigeren Montagen habe ich kaum Freizeit“, sagt der Marktbeschicker. Urlaub? „Den geplanten vom vergangenen Jahr habe ich ausfallen lassen, aber in diesem Jahr geht es für eine Woche auf Reisen. Alles schon bezahlt, dann habe ich daheim keine Ausrede“, sagt er und lächelt verschmitzt. Doch trotz der unerbittlichen Knochenarbeit kann er sich keine andere Arbeit vorstellen. Beinahe alle Stammkunden spricht er mit Namen an, kennt ihre geschmacklichen Vorlieben. „Die Waren-Präsentation ist in Jahren erworbene Erfahrung“, sagt Heuer, während er routiniert Spitz-, Blumen- und Wirsingkohl arrangiert und die elektrischen Waagen anschließt. Um halb sieben sind der Wehnser und seine Marktmannschaft arbeitsbereit, die ersten reif gepflückten Mangos gehen über den Ladentisch. Heuer ist der Erste. Mal wieder. An vielen Orten in der Region gibt es Wochenmärkte. Hier einige Beispiel: In Gifhorn zum Beispiel kann immer mittwochs und samstags von 8 bis 14 Uhr auf dem Marktplatz in der Fußgängerzone eingekauft werden. Der Wochenmarkt auf dem Schlossplatz in Groß Schwülper ist freitags von 13 bis 18 Uhr geöffnet und das Pendant in Meine, Am Marktplatz, samstags von 8 bis 13 Uhr. Der Detmeroder Markt ist der Veranstaltungsort für den Wochenmarkt in Wolfsburg, der das ganze Jahr über jeden Samstag von 8 bis 13 Uhr stattfindet. Donnerstags von 8 bis 13 Uhr hat der Markt auf dem Hansaplatz geöffnet, auf dem Rathausplatz kann mittwochs und samstags von 8 bis 13 Uhr eingekauft werden und auf dem Brandenburger Platz dienstags und freitags von 8 bis 13 Uhr. Auf dem Wochenmarkt in Peine bieten die Händler jeden Mittwoch und Samstag auf dem Hagenmarkt noch bis zum 31. März von 8 bis 13 Uhr ihre Waren an, ab April geht es schon um 7 Uhr los. Aber auch in den umliegenden Gemeinden gibt es regelmäßige Markttage. Mehr anzeigen Von Ulrich Jaschek

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