Covid 19 im Kreis Gifhorn: Homeoffice-Möglichkeiten sind begrenzt

Es war ein flammender Appell, den Lothar Wieler am Donnerstag ans Land richtete: Unter anderem rief der Chef des Robert-Koch-Instituts dazu auf, mehr Arbeit von zuhause aus zu erledigen, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Im Kreis Gifhorn wird das schon beherzigt. Doch alles hat seine Grenzen. „Bei IAV sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgefordert, die Mobilarbeit zu nutzen und von zuhause aus zu arbeiten. Unsere Kolleginnen und Kollegen halten sich gewissenhaft an diese Richtlinie unseres Covid-19-Arbeitsstabs“, versichert Arbeitsdirektor Dr. Uwe Horn auf AZ-Nachfrage. Mobilarbeit biete „ein hohes Maß an Flexibilität“ und ermögliche, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Dank der guten IT-Ausstattung laufe das sehr gut. Nachteile? „Trotz der vielen digitalen Kommunikationsmöglichkeiten bleibt der persönliche Kontakt in den Teams wie auch zu Kunden natürlich auf der Strecke. Und gerade der persönliche Austausch ist es, der vielen Kolleginnen und Kollegen fehlt.“ Fast alle bei Gifhorns größtem Arbeitgeber können mobil arbeiten, aber eben nur fast: „Für die Kolleginnen und Kollegen an unseren stationären Prüfständen, Prüfzentren und Crash-Anlagen haben wir in enger Abstimmung mit unserem Team der Arbeitssicherheit strikte Schutzmaßnahmen etabliert, um sie bestmöglich zu schützen“, sagt Horn. Andreas Kirschenmann, Präsident der IHK Lüneburg-Wolfsburg, ruft Unternehmen auf, Homeoffice-Regelungen zu nutzen. Die Möglichkeiten dürften aber nicht überbewertet werden. Der Anteil der Beschäftigten, die nicht von zu Hause aus arbeiten können, dürfte bei 60 Prozent liegen. Im Handwerk tendiert die Homeoffice-Quote gegen null. Laut Kreishandwerksmeister Manfred Lippick ist sogar die Büroarbeit in den seltensten Fällen von zuhause aus zu erledigen. Und so bleibe den Beschäftigten im Kampf gegen eine weitere Ausbreitung des Virus’ nur das, was sich aus seiner Sicht seit dem vorigen Frühjahr bewährt habe: Das Arbeiten unter AHA-Regeln. „Wir gehen mit Maske zum Kunden ins Haus.“ Man halte Abstand, in den seltensten Fällen seien Kunden im selben Raum, in dem seine Leute arbeiteten. Außerdem hat er seine Teams in Kohorten unterteilt, es seien immer die selben Zweier-Mannschaften unterwegs. „Das Schnacken mit dem Kunden muss man sich allerdings verkneifen.“ Wo es möglich sei, dürften die Menschen im Homeoffice arbeiten, ist Lippicks allgemeiner Eindruck. Seine Leute stellten immer wieder fest, dass viele Kunden Menschen sind, die gerade selbst zuhause arbeiteten. Für Lippick bestätigt das: „Die Wirtschaft macht aus eigenem Interesse, was möglich ist. Die, die es können, sind im Homeoffice.“ Ein weiterer Eindruck sei aber: „Je länger das dauert, desto mehr haben die Menschen davon genug.“ Der Austausch mit den Kollegen in Fleisch und Blut sei wichtig. „Vielen fehlt der Buschfunk. Das ist nicht zu unterschätzen.“ Zulassungsstelle kann nicht ins Homeoffice: „Wir bieten es an, wo es möglich und erwünscht ist“, sagt Ines Kielhorn, Samtgemeindebürgermeisterin im Papenteich. Der Vorteil sei für Beschäftigte unter anderem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der Nachteil, dass nicht in allen Bereichen Heimarbeit möglich sei. Das sagt auch Stefan Hölter, Personalratsvorsitzender des Landkreises. „Da haben wir eine gute Regelung.“ Homeoffice sei aber nicht überall möglich – etwa in der Zulassungsstelle oder dort, wo Akten nicht mit nach Hause genommen werden dürfen. Auch bei der Sparkasse Celle-Gifhorn-Wolfsburg ist der Wechsel ins Homeoffice nur begrenzt möglich, so Sprecherin Alexa von der Brelje. In der Sparkasse arbeiten weiterhin viele Kolleginnen und Kollegen vor Ort. „Wir haben einen Teil unserer Filialen und Kompetenz-Center geöffnet, und auch in anderen Bereichen unserer Sparkasse wollen wir für unsere Kundinnen und Kunden weiterhin persönlich erreichbar sein.“ Volle Einsatzkraft sei dort nötig, wo „zum einen eine flächendeckende Bargeldversorgung und ein reibungsloser Zahlungsverkehr sicherzustellen und auch Liquidität für heimische Unternehmer vorzuhalten und zu vermitteln“ sei. „Das persönliche Miteinander ist manchmal unverzichtbar.“ Insgesamt hätten dennoch deutlich über die Hälfte der mehr als 1000 Mitarbeitenden die Möglichkeit zum Homeoffice. „Die meisten Kolleginnen und Kollegen arbeiten tageweise mobil, sind überwiegend vor Ort.“ Aus dem Gifhorner Rathaus ist die Hälfte der Belegschaft ins Homeoffice gewechselt, laut Sprecherin Annette Siemer sogar etwas mehr als beim ersten Lockdown – da mehr Laptops angeschafft wurden. „Ein Nachteil liegt sicherlich darin, dass der gewohnte persönliche Austausch fehlt. Viel gravierender ist natürlich die zusätzliche Belastung bei Familien mit Kindern durch die Schließung der Schulen, Horte, Kindertagesstätten und Krippen.“ Kein Problem für Beschäftigte von Bauhof, ASG, Bürgerbüro und Ordnungsamt: Für sie komme kein Homeoffice in Frage. Verdi sind keine Homeoffice-Verweigerer aus Gifhorn bekannt: Ins Homeoffice wollen, aber nicht dürfen? „Ich kenne momentan keine Beschwerden“, sagt Verdi-Bezirksgeschäftsführer Sebastian Wertmüller. Gleichwohl ruft auch er noch einmal auf: „Wir sind dafür, dass Homeoffice allen, die es wollen, ermöglicht wird.“ Vertrauen die Chefs ihrer Belegschaft, die Arbeitszeit daheim korrekt abzurechnen? Kielhorn sieht darin kein Problem. Sie wisse aus früherer Tätigkeit von zuhause aus: „Man macht eher mehr als weniger.“ Von Dirk Reitmeister