Corona: Internationale Beachtung für Gifhorner Umfrage Covid nein danke

Welche Vorerkrankungen gibt es und welche Symptome aktuell, die auf eine Corona-Infektion hindeuten können? Diese seit Anfang April online und anonym laufende Covid-nein-danke-Umfrage findet inzwischen internationale Beachtung. Ein Erfolg für Chefarzt Prof. Dr. Dietmar Urbach, das Helios-Klinikum Gifhorn und die Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg. Über sie berichtet nämlich das Journal for Medical Internet Research – und das ist schon sehr wählerisch bei seinen Inhalten. Zwei markante Kurven stellt die Homepage von Urbach auf der Ergebnisseite vor. Eine braune Kurve beschreibt die Entwicklung der laut Robert-Koch-Institut positiv getesteten Menschen im Kreis Gifhorn. Eine blaue Kurve fasst sechs von den Umfrage-Teilnehmern angegebene Symptome von unter anderem Kopfschmerz über Muskel- und Gliederschmerz hin zum Verlust von Geruchs- und Geschmackssinn zusammen. Beide Kurven zeigen seit der 40. Kalenderwoche steil nach oben, im Fall der Symptome zumindest als mehrwöchiger Trend. Doch die Umfrage hat laut Urbach noch mehr Aufschlüsse gebracht. Inzwischen haben rund 5 000 Teilnehmer Fragen beantwortet, rund 2 500 von ihnen auch wiederholt. Dabei hat Urbach anhand der Angaben zu Vorerkrankungen und Einnahme von entsprechenden Medikamenten folgendes analysiert: Menschen, die Cholesterin-, Blutdrucksenker oder Schilddrüsen-Mittel einnehmen, zeigten schwächere Covid-Symptome. „Was wir gefunden haben, ist statistisch abgesichert.“ Das hat inzwischen auch das renommierte US-Magazin überzeugt. Urbachs Arbeit ist dort jetzt zur Veröffentlichung angenommen worden. Nachdem der Gifhorner Forscher im Spätsommer von einer Vorabveröffentlichung berichten konnte, ist es nun endgültig durch. „Es war ein echter Akt“, kommentiert Urbach den Weg zu diesem Erfolg. Die anonyme Online-Umfrage Covid-nein-danke, die Helios-Chefarzt Prof. Dr. Dietmar Urbach zusammen mit Sven Leiß von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg ausgetüftelt hat, soll als Frühwarnsystem dienen und dabei mithelfen zu klären, warum Menschen verschieden stark an einer Infektion mit dem Corona-Virus erkranken. In mehreren Schritten geht es auf www.covid-nein-danke.de bis zum Absenden des Fragebogens. Es gibt Fragen zu Alter, Geschlecht, Übergewicht und Wohnort, dann ob man bereits auf Corona getestet wurde, in einem weiteren Schritt fragt die App nach Symptomen wie trockenem Husten, Fieber, Kurzatmigkeit oder verlorenem Geruchssinn, danach geht es um Vorerkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen, Alkoholproblemen und Rheuma sowie um eingenommene Medikamente, bevor der beantwortete Fragebogen abzuschicken ist. Alles anonym, versichert Urbach. „Wir verzichten auf IP-Adressen, setzen keine Cookies und haben kein Tracking.“ Die von Urbach ausgetüftelte Anwendung soll Kliniken, Arztpraxen und Gesundheitsamt nach Auswertung der Antworten signalisieren, welche Arbeit möglicherweise auf sie in den kommenden Tagen zukommt. Es sei sozusagen ein Frühwarn-Radar. Dabei kommt die zweite Befragung ins Spiel. „Die Folgebefragung ist extrem wichtig“, sagt Urbach. Jeder Teilnehmer soll spätestens eine Woche nach der ersten Befragung und dann weiterhin wiederholt ein „Update“ zu seinem Gesundheitszustand liefern – oder sobald sich Symptome zeigten. Erst mit jener Folgebefragung sei eine Entwicklung der Erkrankungen abzuschätzen. Damit sie der jeweiligen Erstbefragung ordentlich zugewiesen wird, bekommt der Teilnehmer nach dem Abschicken des ersten Fragebogens einen Code zugewiesen, mit dem er dann in die Folgebefragung einsteigt. „Wir müssen das über einen Code machen, damit das Ganze anonym bleibt.“ Nur jede vierte Arbeit wird veröffentlicht – so wie die aus Gifhorn: Er habe seine Arbeit mit mehreren Gutachten belegen müssen. „Es ist ein normaler Werdegang. Die wollen eben nichts veröffentlichen, was nicht Hand und Fuß hat.“ Folge: „Nur 25 Prozent der eingereichten Arbeiten werden angenommen“, sagt Urbach. Seine gehöre dazu. „Wir sind froh, dass es durch ist – wo wir so viel Arbeit reingesteckt haben.“ Nicht voreilig irgendwelche Medikamente nehmen: Es gebe auch international immer mehr Veröffentlichungen zu dem Phänomen, auf das Urbach dank der Mithilfe der Gifhorner gestoßen ist. „Diese Daten sind aber keine Empfehlung, prophylaktisch diese Tabletten zu nehmen“, warnt er dringend vor der Einnahme von Cholesterin- oder Blutdrucksenkern. Dazu müssten noch viel mehr konkretere Untersuchungen laufen. Nicht umsonst dauere es auch lange, bis ein Impfstoff marktreif sei. „Ein kleines Bausteinchen in der Wissenschaft“: Urbach bildet sich auch nicht ein, dass seine Untersuchung den Durchbruch zur Entwicklung eines Therapeutikums bringen wird. Aber immerhin: „Wir sind ein kleines Bausteinchen in der Wissenschaft.“ Viele solcher Bausteinchen ergäben ein vollständiges Puzzlebild. Deshalb appelliert er an Gifhorner, angesichts steigender Testzahlen weiterhin an der nach wie vor laufenden Umfrage unter www.covid-nein-danke.de teilzunehmen – auch zum wiederholten Mal, wenn sich Änderungen bei Symptomen ergeben sollten. Nur so sei eine Entwicklung festzustellen. „Die Schwankungen werden größer und unzuverlässiger, wenn weniger teilnehmen.“ Von Dirk Reitmeister