Seit Jahrzehnten erlaubt sich Bärbel Weist, Niedersachsens dienstälteste Ortsbürgermeisterin, nur wenige ruhige Minuten. Am Donnerstag aber, an ihrem 75. Geburtstag, nahm sie sich ganz bewusst eine Auszeit: Statt im Haus in der Leineweberstraße Glückwünsche entgegenzunehmen, ging sie wandern.
Vor fünf Jahren, zum 70. Geburtstag, hatte die Stadt Wolfsburg ihr zu Ehren einen Empfang im Schloss Wolfsburg ausgerichtet. Auch diesmal wird sie um eine Feier nicht herumkommen. Sie findet aber erst am Samstag statt – und in einem etwas kleineren Kreis als vor fünf Jahren.
Seit knapp 38 Jahren ist Bärbel Weist Ortsbürgermeisterin von Fallersleben und Sülfeld – am 10. Dezember 1979 trat sie dieses Amt als erste Frau an. In die CDU war sie schon 1973 eingetreten, weil sie „nicht nur immer meckern“ wollte. Doch in dieser Männergesellschaft fühlte sie sich bald nicht mehr gut aufgehoben, beim Streit über eine damals geplante Justizvollzugsanstalt in Fallersleben kam es dann endgültig zum Bruch. 1984 gründete Bärbel Weist mit der PUG ihre ureigenste politische Heimat. Anfangs saß sie im Rat der Stadt allein „auf dem Armesünder-Bänklein“, wie sie selbst sagt. Jetzt ist die PUG die drittgrößte Fraktion.
Ihr politisches Wirken ist es, was viele mit ihrem Namen verbinden – dabei ist Politik „ein Hobby“, wie Bärbel Weist vor fünf Jahren bemerkte.Und sie hat weitere bemerkenswerte Hobbys: 1980 gründete Weist den Verein zur Erhaltung historischer Baudenkmäler (heute Kultur- und Denkmalverein) und 2000 die Volkstanz- und Trachtengruppe „Die Fallersleber“. Als Hobby-Historikerin schreibt sie zudem Szenen für die Stadtführungen in Fallersleben, die unter dem Titel „Geschichte erleben“ auch als Taschenbuch erschienen sind.
Ihren Geburtstagswunsch hat sich Bärbel Weist selbst erfüllt: Ein bisschen Ruhe und Zeit mit der Familie.
Von Andrea Müller-Kudelka