Die Große Koalition in Niedersachsen steuert womöglich auf einen Streit zu. Es geht ums Geld – oder genauer gesagt um das Verbot für Neuschulden, das vom Jahr 2020 an für alle Bundesländer gilt. Während CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers die Schuldenbremse in der Landesverfassung verankern möchte, winkt Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) ab: Der Regierungschef hält das nicht für zwingend notwendig.
Die Schuldenbremse schreibt vor, dass die Ausgaben der Länder die Einnahmen nicht mehr übersteigen dürfen. Die niedersächsischen Landesregierungen haben in den vergangenen Jahrzehnten einen Schuldenberg von mehr als 61 Milliarden Euro angehäuft.
Eine Aufnahme der Schuldenbremse in die Landesverfassung sei noch zu klären, sagte Weil der HAZ. „Vorderhand kommen wir mit der Regelung im Grundgesetz gut zurecht. Und wie eine Verfassungsänderung in Niedersachsen mit einem Mehrwert verbunden ist, werden wir zu erörtern haben“, betonte der Regierungschef.
Eine Hintertür bleibt
Das Finanzministerium arbeitet derzeit an den Entwürfen zur Umsetzung der Schuldenbremse. „Zielrichtung ist eine schlanke Änderung der niedersächsischen Verfassung nach den Vorgaben des Grundgesetzes“, sagte Ministeriumssprecherin Antje Tiede. In Ausnahmefällen soll aber eine Neuverschuldung weiter möglich sein: bei „konjunkturellen Schwankungen, Naturkatastrophen oder außergewöhnliche Notsituationen“, hieß es. Diese Ausnahmen sollen laut Tiede nicht in der Verfassung stehen, sondern durch eine einfache Gesetzgebung erfolgen.
Die Opposition kritisierte die Pläne. „Minister Hilbers’ Konzept einer sogenannten Schuldenbremse ist in Wahrheit die erneuerte Lizenz zum Schuldenmachen“, rügte Grünen-Haushaltsexperte Stefan Wenzel. „Er will die Kriterien, die im Grundgesetz stehen, weich machen – im Wissen darum, dass die nächste Konjunkturdelle unweigerlich kommt.“ Wenzel forderte eine gerechtere Verteilung der Steuereinnahmen zwischen Bund und Ländern.
Die FDP-Fraktion will ebenfalls eine Schuldenbremse in der Landesverfassung aufnehmen lassen, aber mit einem speziellen Zusatz. Bislang sei im Zusammenhang mit der Verankerung des Schuldenverbots nur darüber gesprochen worden, wie Ausnahmen festgeschrieben werden könnten, sagte FDP-Finanzpolitiker Christian Grascha. „Wir wollen aber auch den Tilgungsturbo.“ Das Land müsse sich dazu verpflichten, in konjunkturell guten Zeiten in die Schuldentilgung einzusteigen.
„Wir halten die Schuldenbremse seit 2016 ein, und daran ändert sich auch nichts“, betonte Ministerpräsident Weil. Das Vorgehen in der Zukunft sei innerhalb der Landesregierung noch zu klären. Das Finanzministerium wies noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass Finanzminister Hilbers „Umgehungen oder Ausnahmen der Vorgaben des Grundgesetzes, die faktisch oder rechtlich zu neuen strukturellen Schulden führen“ ablehne.
Die SPD/CDU-Koalition will voraussichtlich im Juni einen gemeinsamen Gesetzentwurf zur Schuldenbremse in den Landtag einbringen. Die FDP hat einen eigenen Vorschlag angekündigt.
Von Marco Seng